19. Videokunst Förderpreis Bremen

Ausstellung und Preisvergabe

10.12.2010 - 09.01.2011

Der Videokunst Förderpreis, ausgelobt vom Filmbüro Bremen, ermöglicht seit 1992 die Realisierung von Kunstwerken. Und er tut dies auf besondere Weise: Prämiert werden keine fertigen Videoarbeiten, sondern Konzepte, die erst mit Hilfe des Preisgeldes umgesetzt werden. Der Bremer Wettbewerb unterscheidet sich damit deutlich von anderen Kunstpreisen. Er honoriert nicht das bereits Gesehene, er setzt auf das Neue und Unbekannte. Im Fokus stehen vornehmlich junge künstlerische Positionen, insbesondere solche, die es noch zu entdecken gilt. Die Ausstellung in der Weserburg präsentiert nun die Werke der Vorjahrespreisträger Mario Pfeifer und Roland Eckelt.

Ausgangspunkt für Roland Eckelts Arbeit Movement (2010) ist ein nonverbales Kommunikationsverfahren zwischen Mensch und Tier, in diesem Fall zwischen einem Rinderflüsterer und einer Kuh. Dabei handelt es sich um das so genannte Low Stress-Stockmanship (LSS), dessen Grundprinzipien sich auch auf menschli-che Kommunikation anwenden lassen. Roland Eckelt überführt das Verfahren in eine komplexe Videoinstallation. Sie zeigt zeitgleich drei Perspektiven, die in den Grundfarben des RGB-Farbraums eingefärbt sind –  die Sicht des Rinderflüsterers (blau), der Kuh (rot) und eine Außenansicht (grün). Zwei der drei Filme sind so übereinander projiziert, dass ein diffuses Mischbild entsteht. Erst mit Hilfe von speziell angefertigten Brillen kann der Betrachter die Sicht der Kuh und die Sicht des Bauers isoliert voneinander betrachten. Mit dem Wechsel der Brille ändert sich auch die Sichtweise auf die Situation. Verschiedene Formen der Kommunikation und Wahrnehmung werden so spielerisch auf den Prüfstand gestellt.

Mario Pfeifer verhandelt in seiner Arbeit Code Unknown [Re_Sync] (2010) verschiedene Strategien, die sich mit einer Schlüsselszene aus Michael Hanekes Spielfilm CODE INCONNUE beschäftigen. Gerahmte Textbilder in der Größe konventioneller Filmplakate markieren den inhaltlichen Schwerpunkt der Arbeit. Es handelt sich um grundlegende Fragen zum Medium Film, die sich Michael Haneke selbst auf einer Pressekonferenz der Filmfestspiele in Cannes im Jahr 2000 gestellt hat: „Can Reality Be Represented“, „Is Truth The Sum Of What We See And Hear“.. . Die Fragen provozieren eine kritische Auseinandersetzung mit Aspekten der Autorschaft und Manipulation einer zeitgenössischen Bildproduktion. Mario Pfeifer ergänzt die Gedanken mit Passagen aus einem selbstverfassten Drehbuch. Es wurde auf Basis von Hanekes Spielfilm geschrieben und um weitere Handlungselemente und Sprechakte ergänzt. Das so entstandene Drehbuch tritt in ein spannungsvolles Verhältnis mit der isolierten Originalszene, die als Videoloop in französischer Sprache mit deutschen Untertiteln gezeigt wird.

Die neuen PreisträgerInnen

Eine Fachjury des Bremer Filmbüros für den Videokunst-Förderpreis hat zwei neue Konzepte prämiert, die mit Hilfe der Preisgelder realisiert und Ende des nächsten Jahres in Bremen ausgestellt werden.

Der mit 4.000 Euro dotierte Hauptpreis geht an die Berliner Videokünstlerin Johanna Domke für Ihr Konzeptvorschlag: „Untitled – Epilog“, der mit 1.000 Euro dotierte zweite Preis an Kriss Salmanis aus Riga für sein Projekt „Moving Landscape“.

Die Entscheidung trafen Magdalena von Rudy (Videokünstlerin, Düsseldorf), Dirck Möllmann (Kurator, Hamburg) und Dr. Stefan Rasche (Kunsthistoriker und Galerist, Berlin). Nahezu 160 Bewerbungen waren aus dem gesamten deutschsprachigen Raum und aus Bremens Partnerstädten eingegangen.

Jurybegründung

Johanna Domke
Preisträgerin des 19. Bremer Videokunst Förderpreises.
Vorschlag: Untitled – Epilog

Der Bremer Videokunst Förderpreis fördert Ideen und Konzepte, die mit Hilfe des Preisgeldes von 4000 EUR realisiert werden sollen. Johanna Domke überzeugte die Jury einhellig mit einer inhaltlich komplexen Videoinstallation, die sich der zeitgenössischen Bildproduktion auf ebenso kritische wie selbstkritische Weise widmet.
Der Vorschlag zu „Untitled – Epilog“ enthält eine Vorgeschichte, die maßgeblich für Johanna Domkes Entwurf geworden ist, denn die Idee beruht auf einem gescheiterten Arbeitsvorhaben. Mit einer senegalesischen Künstlerin war eine interkulturelle Zusammenarbeit geplant, die sich als undurchführbar entpuppte. Domkes Erfahrungen mit dem Misslingen des Vorhabens verarbeitet sie im vorliegenden Konzept für eine 2-Kanal-Videoinstallation. Die Grundlage ihrer Inszenierung ist ein Interview mit ehemals Beteiligten, das nach den Dreharbeiten geführt wurde. Im Kern geht es um die Doppelbedeutung des Wortes „Projektion“ als apparativer Aufbau einerseits und
psychologisch begründetes Verhalten andererseits. In interkulturellen Begegnungen zeichnen sich darüber hinaus Machtverhältnisse und historische Bedingungen an Projektionen ab, die in diesem Falle auch zum Scheitern des Arbeitsvorhabens beigetragen haben. Mit den Mitteln der Fiktionalisierung und des Dokumentarischen will Domke den individuellen Konflikt in reflexive Bilder von allgemeiner Aussagekraft ebenso übertragen wie umkehrt in gesellschaftlichen Strukturen persönliche Zustände erkennbar machen. Ihre bisherigen Arbeiten und das vorliegende Konzept überzeugten die Jury,
dass ihr diese Gratwanderung zwischen direkter Betroffenheit und interkulturellen Machtverhältnissen auch auf künstlerisch höchst anspruchsvolle Weise gelingt.

Die Jury gratuliert Johanna Domke von Herzen zum 19. Bremer Videokunst Förderpreis und wünscht ihr für die weitere Arbeit an diesem Projekt alles Glück und Erfolg!

Kriss Salmanis
Preisträger des mit 1.000 EUR dotierten 2. Videokunst Förderpreis
Vorschlag: Moving Landscape“

Geplant ist ein kurzer Film, der inmitten einer lettischen Landschaft eine Scheune zeigt, die langsam um ihre eigene Achse rotiert. Dieser eigentlich absurde Vorgang, der unverhofft in die zur Schau gestellte Normalität einbricht, wird nicht digital erzeugt, sondern mittels aufwändiger Technik – einem ferngesteuerten, auf Schienen fahrenden Scheunenmodell – vor Ort inszeniert.
Das Projekt steht in einer Reihe anderer, schon realisierter oder noch geplanter Videos, die auf ähnlichen Vorfällen beruhen: Eine Birke bewegt sich kaum merklich über eine Wiese, ein großer Strommast vibriert von Zeit zu Zeit, ein Fels versinkt im Erdboden. Orte solcher Ereignisse sind dabei bewusst langweilige Wald- und Wiesenlandschaften, die durch die Eingriffe des Künstlers umso mehr eine subtile, aber empfindliche Störung erfahren. Welche Kräfte hier am Werk sind, kann der Zuschauer am Ende allenfalls ahnen.
Nach Auffassung der Jury gelingt es dem Künstler mit seinen „Moving Landscapes“, auf ebenso präzise wie lustvolle Weise filmische Bilder der Verunsicherung zu erzeugen. Dabei ist die zugrunde liegende Idee ebenso einfach wie wirkungsvoll: Die Landschaft wird zur Bühne eines mysteriösen Geschehens, indem an sich unbewegliche Objekte in Bewegung geraten. Dass Kriss Salmanis diese minimalen, aber irritierenden Realitätsverschiebungen vor Ort und in Echtzeit realisiert, verleiht seinen Filmen eine besonders subversive Wirkung. Denn gerade die analoge, detailversessene Prozedur, das scheinbare Missverhältnis von Aufwand und Effekt, macht die kurzen Sequenzen zu kleinen Meisterwerken der Regiekunst.