das wort steht im raum – skulpturale poesie
Kabinettausstellung im Zentrum für Künstlerpublikationen
Unter den fruchtbaren Beziehungen zwischen Kunst und Literatur spielt der Dialog zwischen Poesie und Skulptur in der zeitgenössischen Kunst eine besondere Rolle. Trotzdem hat sie bisher nur sehr wenig Beachtung gefunden. Die Ausstellung im Zentrum für Künstlerpublikationen konzentriert sich nun auf eine Tradition der experimentellen Poesie und der bildenden Kunst seit den 1960er Jahren, in deren Rahmen Texte als dreidimensionale Kunstwerke erscheinen – als Objekte, die mit Texten beschrieben sind oder Buchstaben zu skulpturalen Formen werden lassen.
Das Phänomen der skulpturalen Poesie entstand zu einer Zeit der radikalen Infragestellung künstlerischer Produktionsprozesse, traditioneller Werkbegriffe und etablierter Rezeptionsweisen, die in allen Disziplinen zu beobachten ist. In der Literatur sind mit Visueller, Konkreter und Akustischer Poesie, Action Poetry, der frühen digitalen Poesie, mit Textfilmen sowie mit dem neuen Hörspiel und schriftbasierten Installationen vergleichbar radikale Ansätze zu verzeichnen gewesen.
Skulptur und Literatur greifen im Schaffen der präsentierten Künstler*innen vor allem in den 1960er und 70er Jahren disziplinübergreifend und selbstverständlich ineinander. Viele der Protagonist*innen sind ebenso für ihre visuellen Kunstwerke wie für ihre konzeptuellen literarischen Arbeiten bekannt, die literarische Konventionen und etablierte Gattungen hinter sich lassen. Die Vertreter*innen der Visuellen und Konkreten Poesie dieser Zeit standen in internationalem Austausch. Neue Herangehensweisen an Text und Literatur entwickelten sich in Europa genauso wie in den osteuropäischen Avantgarden und in Südamerika.
Das Wort steht im Raum gibt mit einer internationalen Auswahl von Werken aus eigenen Beständen und einigen Leihgaben einen Überblick über die vielfältigen Erscheinungsformen skulpturaler Poesie. Die Bandbreite reicht von den Poemobiles von Augusto de Campos und Julio Plaza, einer Serie von Klappkarten zwischen deren Deckeln sich beim Öffnen wie bei einem Pop-Up-Buch Texte aufstellen und wieder zusammenfalten, bis zu John Cages legendärem Not wanting to say anything about Marcel, bei dem bedruckte Plastikscheiben wie transparente Seiten eines Buches hintereinander aufgestellt sind. Fotografien von Attila Csernik zeigen, wie auch der eigene Körper zum Medium für skulpturalen Text wird. In Zusammenarbeit mit dem Nachlass von Heinz Gappmayr wurden Rekonstruktionen von fünf kleinen Papierskulpturen aus dem Jahr 1962 angefertigt.
Mit Arbeiten von Alain Arias-Misson, Josef Bauer, Joseph Beuys, Marcel Broodthaers, John Cage, Augusto de Campos, Lucio del Pezzo, Carlfriedrich Claus, Peter Downsbrough, John Furnival, Heinz Gappmayr, Jochen Gerz, Dietrich Helms, Miroslay Klivar, Milan Knížák, Ferdinand Kriwet, Franz Mon, Geza Perneczky, Julio Plaza, Gerhard Rühm, Takahashi Shohashiro, Gabor Toth, Karel Trinkewitz und Timm Ulrichs
Kuratiert von Bettina Brach, Zentrum für Künstlerpublikationen, und Christoph Benjamin Schulz, Wuppertal. In Kooperation mit dem internationalen Literaturfestival poetry on the road