Female Identities?
KünstlerInnen der Sammlung Goetz
Sie zählt zu den bekanntesten Sammlerinnen zeitgenössischer Kunst. Subjektiv, instinktiv und risikofreudig kaufe sie Werke junger KünstlerInnen, so Ingvild Goetz selbst in einem Interview. „Kunst muss immer etwas mit mir selbst zu tun haben. Die ständige Auseinandersetzung mit dem Neuen und Gegenwärtigen ist mir deswegen ein persönliches und sammlerisches Anliegen.“ Diese Hinterfragung der eigenen Identität, auf die sie sich durch die Kunst ihrer Zeit immer wieder einlässt, ist auch Ausgangspunkt der neuen Werkauswahl aus ihrer umfangreichen Sammlung, die ab Februar im Neuen Museum Weserburg gezeigt wird.
Spiegeln sich in den Fotografien Nan Goldins und Nobuyoshi Arakis, in den Kleidungsstücken und Wohneinheiten Andrea Zittels, in den Couchteilen Jessica Stockholders, in den Körperabgüssen bzw. –fragmenten Rosemarie Trockels und Rachel Whitereads »female identities?« wider? Dies ist die Fragestellung, die Auseinandersetzung, in die die BesucherInnen des Neuen Museum Weserburg im Jahr 2004 immer wieder hineingelockt werden sollen. Die Auswahl der Fotografien und FotografInnen wird sich dabei im Laufe des Jahres zweimal verändern. Lassen Sie sich überraschen!
Rosemarie Trockel thematisiert das weibliche Rollenspiel zwischen Macht und Ohnmacht. In ihrem Video »Pausa« tritt eine Frau, Laura, in einen Raum, zieht ihren mit Wollfäden durchzogenen Chanel-Rock aus und deckt sich mit ihm wärmend zu – eine Pause einlegend in diesem Spiel? Wenige Jahre später legt die Künstlerin Lauras Körperabguss in den Kleidungstücken des Films bäuchlings auf eine Rettungsdecke, einen Walkman dazu und nennt das Ganze ironisch: »Living means to play some records«.
Die beiden kleinen Torsi Rachel Whitereads wirken dagegen in ihrer unterschiedlichen Materialität, der eine ist aus Gips, der andere aus Kunstharz, wie die Fragmente stählern-männlicher und fließend-weiblicher Leiblichkeit. Sie werden in demselben Raum präsentiert wie Jessica Stockholders Installationen, in denen abstrakte Bildwelt und familiäre Alltagswelt gleichsam surreal miteinander verwoben scheinen.
»Third World Blondes Have More Money«. Schon dieser Titel der Serie Daniela Rossells wirkt wie eine Provokation. Auf ihnen sind Frauen und Töchter der mexikanischen Oberschicht, der auch die Fotografin selbst angehört, in ihrer alltäglichen Umgebung zu sehen. Sie wirken wie ein Teil der Dekoration und doch inszenieren sie sich bewusst als Frauen in ihrer vom Machismo geprägten Welt. Den Betrachter teils herausfordernd anschauend, positionieren sie sich in den mit allerlei überbordendem Luxus ausgestatteten Räumen ihrer von festen Familienbanden geprägten gesellschaftlichen Schicht. Sie sind gekleidet wie die Models in den Hochglanzmagazinen der Industrieländer. Sich in ihrer Sexualität anbietend, versuchen sie zugleich in ihrer Rolle als Objekt männlicher Begierde ihre Würde zu wahren.
Auch die Engländerin Sarah Jones widmet sich in ihrer Serie »Mulberry Lodge / Francis Place« jungen Frauen zwischen Teenagerdasein und Erwachsenwerden. Sie fotografiert sie in den komfortablen Häusern ihrer der englischen Mittelklasse angehörigen Eltern. Diese Frauen sind ohne Blickkontakt mit dem Betrachter. Im Gegensatz zu den Mexikanerinnen stellen sie ihre weiblichen Körper nicht zur Schau. Dezent geschminkt und frisiert fügen sie sich beinahe nahtlos in ihre »makellose« Umgebung ein, die im Stil des englischen Kolonialismus eingerichtet ist. Sie scheinen auf etwas zu warten und wirken zugleich wie auf dem Sprung. Mitten in der Pubertät stehen sie an der Schwelle zur Erwachsenenwelt und vor der Entscheidung, die Tradition ihrer Elternhäuser fortzuführen oder einen neuen, eigenen Weg einzuschlagen.
Ein eigener Raum ist Andrea Zittel gewidmet, der sich in seiner von der Künstlerin bestimmten Farbigkeit dem White Cube des Museums am radikalsten entzieht. Ihre rechteckigen »Panels« gleichen einem konstruktivistischen Bild und sind zugleich von der Künstlerin zum variablen Gebrauch bestimmt, als weibliches Kleidungsstück oder als Bild an der Wand … Auch die große Wohneinheit A-Z Cellular Compartement Units Customized By Sammlung Goetz, die die Künstlerin entsprechend den Wünschen der Sammlerin in einer japanisch beeinflussten Ästhetik konzipiert hat, lädt zum Eintreten ein. Nur muss im Museum das Wohnen in ihr eine sinnliche Vorstellung bleiben, um sie der Kunstwelt und der Sammlung Goetz auch in Zukunft zu erhalten.