Junge Sammlungen 04

The Vague Space. Sammlung Christian Kaspar Schwarm

23.09.2017 - 18.02.2018

Christian Kaspar Schwarm ist Strategieberater und Mitbegründer der Online Plattform „Independent Collectors“. Seine sich gegenwärtig stetig weiter und neu konturierende Sammlung umfasst vor allem internationale junge Kunst von Querdenkern. Liest man die Namen der Künstlerinnen und Künstler, die bislang Eingang in die Sammlung des Wahlberliners gefunden haben, findet man medienübergreifende Positionen mit einem hohen politischen und intellektuellen Anspruch. Zugleich gibt es ganze Räume umfassende, überaus sinnliche Installationen und Videoarbeiten. Schwarm sieht das Sammeln von Kunst und seinen ständigen Austausch mit Künstlerinnen und Künstlern vor allem als Erfahrungsressource und Erweiterung seines Weltverständnisses. Das klingt bereits im Titel der Ausstellung an: The Vague Space meint im übertragenen Sinne einen noch unbestimmten Raum, den es zu erobern und mit Fragen zu füllen gilt, indem man sich offen und neugierig auf die präsentierte Kunst einlässt. Innerhalb der Ausstellung gibt es einen Bereich zum Verweilen, in den ausgewählte Bände der interdisziplinären Bibliothek des Sammlers integriert sind. Sie erlauben nicht nur einen Einblick in das Weltbild des Sammlers und seine Interessenssphären, sondern auch sinnstiftende Querverbindungen zu den ausgestellten Kunstwerken.

„Von sinnlicher Wucht und intellektuellem Tiefgang. […] Die diskursive Kraft der Kunst hält der Sammler gerade in unserer Zeit für überlebenswichtig.“ Sigrid Schuer, Weser-Kurier

Eindrucksvoll empfängt die Besucher bereits der zentrale Raum der Ausstellung. Slavs and Tatars hängen farbig gestaltete Banner mit irritierenden politischen Botschaften ins Museum, die mit ihren Mustern bisweilen an muslimische Teppiche erinnern und arabische Schriftzeichen zitieren. Schon dadurch erscheint die Arbeit Friendship of Nations – Polish Shi’ite Showbiz tagesaktuell und politisch. Sie inszeniert u.a. überraschende Verbindungen zwischen der polnischen Solidarność-Bewegung der 1980er und 90er Jahre und der iranischen Revolution. Mythologische Figuren werden zu Emblemen der Gewerkschaft, politische Slogans wechseln Sprache und Bezug. Politische Kunst neu gedacht.

Peter Pillers Fotoserien hingegen sind Resultate einer Archivierung des Alltäglichen. Er stellt u.a. vorgefundene Bilder mit immer wiederkehrenden Motiven zusammen, die durch die systematische Erfassung ihrer Normalität und Gewöhnlichkeit befremdlich wirken. Seien es Schießende Mädchen oder Bauerwartungsflächen – in ihrer künstlerisch motivierten Ballung faszinieren diese an sich banalen am Ende manchmal beklemmend wirkenden, bisweilen auch zum Lachen reizenden Motive.

Mario Pfeifer zeigt in einem beeindruckenden 3-Kanal-Video Bilder und Szenen aus Patagonien. Vergangenheit und Gegenwart des hier lebenden Volkes der Yaghan sind Grundlagen dieser Arbeit. Tradition und Moderne, Technisierung und  koloniales Erbe werden in faszinierenden, immer wieder mit elektronischer Musik unterlegten Bildfolgen erlebbar.

 

Neben ihrer großformatigen Textarbeit War Porn bringt Fiona Banner in den verstörend schönen Werken Some Strange Birds und All the Worlds Fighter Planes die Namen und Abbildungen von Kampfjets aus aller Welt ins Museum. Die künstlerisch-analytische Aneignung gerät zur kritischen Bestandsaufnahme.

 

Obwohl Christian Kaspar Schwarm seine Sammlung zum ersten Mal einer breiteren Öffentlichkeit vorstellt, steht er der tradierten Form der Kunstsammlung skeptisch gegenüber. Das Sammeln von Kunst bedarf seiner Ansicht einer Revision. Und er versucht dies auch in seiner Bremer Präsentation sinnfällig und für die Besucherinnen und Besucher erfahrbar zu machen. Zugleich sollen mit The Vague Space Anstöße gegeben und Grundlagen dafür geschaffen werden, das Sammeln von Gegenwartskunst als solches und damit auch das Selbstverständnis des Sammlermuseums für die Zukunft neu zu diskutieren.

„Für mich hat die Welt der Kunst Horizonte und Möglichkeiten eröffnet, die denkbar weit über den Akt des Kaufens und Besitzens von Werken hinausgehen. Was ich in Wirklichkeit sammle: unerwartete Begegnungen, fremde Orte, irritierende Momente, bleibende Freundschaften, plötzliche und langsame Erkenntnisse, wachsendes Wissen, laufende Konfrontationen.“ Christian Kaspar Schwarm

Mit großzügiger Unterstützung der BLB und der Museumsfreunde Weserburg

Künstlerinnen und Künstler

Fiona Banner, Beni Bischof, Nina Canell, Marcel van Eeden, Tom Ellis, Guan Xiao, Diango Hernández, David Horvitz, Jonathan Monk, Mario Pfeifer, Peter Piller, Karin Sander, Slavs and Tatars, Michael E. Smith, Simon Starling, Fiete Stolte, Lukas Stopczynski und Haegue Yang.

Neues Ausstellungsformat „Junge Sammlungen“

Mit der Reihe „Junge Sammlungen“ begann die Weserburg 2014 ein neues Ausstellungsformat. Gezeigt werden Kunstwerke aus einer jungen, bislang noch nicht in dieser Form an die Öffentlichkeit getretenen Privatsammlung. Das Museum ermöglicht seinen Besuchern die Teilhabe an ganz aktuellen Tendenzen internationaler Kunst und ihrem komplexen Gegenwartsbezug. Für die Weserburg garantieren diese im Entstehen begriffenen Sammlungen eine spannende Einsicht in das, was eine jüngere Generation bewegt. Zugleich gibt sie sich als „Sammlermuseum“ ein neues Profil für die Zukunft. Den Auftakt machte 2014 die Hamburger Sammlung Dominic und Cordula Sohst-Brennenstuhl mit der Ausstellung „Junge Sammlungen 01. Nullpunkt aller Orte“, gefolgt von der Sammlung von Kelterborn aus Frankfurt am Main mit „Junge Sammlungen 02. Komm und Sieh“ und dem Berliner Sammler Ivo Wessel mit „Junge Sammlungen 03. Der Raum zwischen den Personen kann die Decke tragen“.