Junge Sammlungen 05

What Paradise? - Sammlung Peters-Messer

23.09.2018 - 10.02.2019

I am not a piece of shit I am a piece of society – mit kraftvoll auf die Leinwand gemalten Lettern bringt es der Künstler Bjarne Melgaard auf den Punkt: Kunst fordert ihren Ort in der Gesellschaft. Florian Peters-Messer, Immobilienunternehmer aus Viersen, hat seit Mitte der 1990er Jahre über 350 Werke aktueller, internationaler Kunst zusammengetragen, die in dieser Form erstmals in einem musealen Kontext vorgestellt werden. Die Ausstellung präsentiert eine zugespitzte und scharf konturierte Auswahl von hochpolitischen, mitunter brisanten Werken, die auf kritische, oft beklemmende Weise soziale Verwerfungen unserer Zeit aufgreifen. Der Titel „What Paradise?“, angelehnt an ein Werk von Kon Trubkovich, fragt dabei nicht nur nach verlorengegangenen Verheißungen. Es geht auch um den Einzelnen, um seine Hoffnungen und Möglichkeiten in einer immer komplexer und undurchsichtiger erscheinenden Welt, die durch Globalisierung und Digitalisierung anscheinend alles für verfügbar hält und doch kaum noch zu greifen ist. Die Ausstellung nimmt ganz bewusst das Verhältnis von Ästhetik und Ethik in den Blick und damit die soziale Funktion der Kunst insgesamt.

What Paradise? versammelt international renommierte und vielfach diskutierte Positionen, darunter Kader Attia, Thomas Hirschhorn und Santiago Sierra, aber auch noch zu entdeckende Künstlerinnen und Künstler einer jungen Generation wie Viktoria Binschtok oder den Iraner Arash Hanaei, der mit seiner schockierenden Textarbeit Death of a Photographer vertreten ist. Neben zum Teil großformatigen Fotoarbeiten, Skulpturen und Videos, einem Gemälde und mehreren Zeichnungen wird auch eine raumgreifende, kinetische Installation des US-Amerikaners Jon Kessler zu sehen sein.

Die Künstlerin Peggy Buth ist mit einer Videoarbeit vertreten, die auf eindrucksvolle Weise gescheiterte Utopien sichtbar macht. Demolition Flats zeigt die Sprengung von Wohnblöcken einer Pariser Vorstadt, wo in den 1960er Jahren Migranten aus Nordafrika, wenn schon nicht das Paradies, so doch eine neue Heimat finden sollten. Die in Verruf geratenen Quartiere mussten samt der dort lebenden Menschen anderen Entwicklungsplänen weichen.

In seiner verstörenden Fotoserie World of Warfare zeigt Julian Röder wie sich die Waffenmesse in Abu Dhabi mit ihren militärischen, todbringenden Gerätschaften ebenso effektvoll wie publikumswirksam inszeniert. Die Porträts des Südafrikaners Pieter Hugo bilden dazu einen scharfen, aber bedenkenswerten Kontrast. Es sind Porträts junger Männer  auf  dem berüchtigtem Agbogbloshie Market in Ghanas Hauptstadt Accra – ein erschreckendes Trümmerfeld, auf dem elektronischer Industriemüll unter schlimmsten gesundheitlichen Bedingungen weiterverarbeitet wird.

Zwiespältig betrachtet man die zweiteilige Videoprojektion der Künstlerin Yvon Chabrowski. Zu sehen sind zahllose in Grau gekleidete Menschen. Stumm und dicht aneinandergedrängt bewegen sie sich neben- und übereinander her. Ein scheinbar friedliches Miteinander, das jedoch immer gestört wird, gilt es doch seinen Platz zu behaupten. Ein lange nachwirkendes Bild, denn in der Tat stellt sich die Frage, wie und unter welchen Bedingungen ein gelingendes Zusammenleben nicht nur als Einzelner, sondern als Gemeinwesen organisiert werden kann.

Mit großzügiger Unterstützung der Museumsfreunde Weserburg

Künstlerinnen und Künstler

Kader Attia, Viktoria Binschtok, Peggy Buth, Yvon Chabrowski, Arash Hanaei, Jonathan Hernández, Thomas Hirschhorn, Pieter Hugo, Sven Johne, Jon Kessler, Douglas Kolk, Bjarne Melgaard, Thomas Rentmeister, Achim Riethmann, Julian Röder, Tom Sachs, Santiago Sierra, Kon Trubkovich, Susan Turcot

Pressestimmen

  •  „Die Ausstellung What Paradise? wirkt nach und regt zum Nachdenken an. Sie geht nahe und hinterlässt ihre Spuren […].“ Alexandra Knief, WESER-KURIER
  •  „Thematisch überwiegt Sperriges, Kunst die polarisiert, die Tabus aufgreift und die Grenzen des ‚guten Geschmacks‘ überschreitet.“ Jörg Restorff, KUNSTZEITUNG
  • „Der Gang durch What Paradise? ist ein Weg zu den Brennpunkten unserer Zeit, mit Kunst, die sich nicht in der Selbstreferentialität aufhält und dennoch formal-medial zu überzeugen weiß.“ Rainer Beßling, artline>kunstmagazin
  • „Werke […], die sich den gesellschaftlichen Realitäten widmen, vor denen manch eine/r gerne die Augen verschließen würde.“ Frank Schümann – Bremer museumszeit

Ausstellungsreihe Jungen Sammlungen

Mit der Ausstellungsreihe Jungen Sammlungen positioniert sich die Weserburg als innovativer und lebendiger Ort für Gegenwartskunst in der bundesweiten Museumslandschaft. Gezeigt werden junge, bislang noch nicht in dieser Form an die Öffentlichkeit getretenen Privatsammlungen. Das Ausstellungsformat wurde 2014 initiiert und kann mittlerweile auf eine erfolgreiche Entwicklung zurückblicken. Für die Weserburg garantieren diese im Entstehen begriffenen Sammlungen eine spannende Einsicht in das, was eine jüngere Generation bewegt. Zugleich gibt sie sich als „Sammlermuseum“ ein neues Profil für die Zukunft.

Den Auftakt machte die Hamburger Sammlung Dominic und Cordula Sohst-Brennenstuhl mit der Ausstellung Junge Sammlungen 01. Nullpunkt aller Orte, gefolgt von der Sammlung von Kelterborn aus Frankfurt am Main mit Junge Sammlungen 02. Komm und Sieh, dem Berliner Sammler Ivo Wessel mit Junge Sammlungen 03. Der Raum zwischen den Personen kann die Decke tragen und last but not least Christian Kaspar Schwarm mit Junge Sammlungen 04. The Vague Space.