Künstlerräume
Die Weserburg präsentiert in einer spannungsreichen Abfolge zum dritten Mal neue Künstlerräume. Selbstbewusst stellen die Künstlerinnen und Künstler ihre Werke und Konzepte zur Debatte. Die Ausstellung gibt damit einen Einblick in die Vielfalt und Qualität künstlerischer Produktion heute, welche sich eindrucksvoll in den Sammlungen der Weserburg abbilden. Gerade in den dabei zu Tage tretenden Unterschieden, Widersprüchen und Entgegnungen reagieren die Künstlerräume der Weserburg auf die Komplexität heutiger Welterfahrung. Mehrere ausgewählte Räume sind von den Künstlerinnen und Künstlern speziell für diese Ausstellung eingerichtet worden und können als beeindruckende Installationen nur hier vor Ort gesehen werden.
Alicja Kwade gelingt mit überraschend einfachen Mitteln eine faszinierende Lichtinstallation. In einem pulsierenden Dialog leuchten zwei Glühlampen wechselnd auf und erzeugen so ein Spiel aus Licht und Schatten. Mit Erich Reusch und Martina Klein werden zwei unterschiedliche Farb- und Malereikonzepte vorgestellt, die in der Lage sind, ganze Ausstellungsräume neu zu definieren. Der sich im Raum bewegende Betrachter wird dabei zum Bestandteil, ja Austragungsort einer besonderen ästhetischen Erfahrung. Dem Belgier Koen van den Broek gelingt wiederum eine eindrucksvolle Erneuerung zeitgenössischer Landschaftsmalerei. Seine Gemälde zeigen Blicke auf das Meer, auf einen Urlaubsort oder in die Wüste. Aber die ausgewählten Motive widersprechen zutiefst den Erwartungen, die wir mit der Darstellung von exotischer Ferne verbinden.
Horst Müller greift mit seiner ziffernlosen „Deckenuhr“ und anderen Staunen machenden Objekten das Thema der Verortung und Verzeitlichung auf seine Weise auf: Wir werden dazu verführt, unsere Position in Raum und Zeit zu überdenken. In Müllers Werken kommt es zudem zu offensichtlichen Dopplungen oder Spiegelungen, als dränge sich der Erfahrung dieser Welt in plausibler Weise diejenige einer Parallel- oder Gegenwelt auf. Auch Clemens Krauss‘ spannende endoskopische Kamerafahrt durch alle Etagen seines Elternhauses lässt uns teilhaben an einer ungewöhnlichen, nur hier denkbaren Erfahrung, die architektonische Gegebenheiten einfach ignoriert und durchdringt – und dadurch erst Recht bewusst macht.
Alltagserfahrungen, die uns allen vertraut sind, thematisieren Christian Boltanski und Christian Jankowski auf höchst unterschiedliche Weise. In einer mehrteiligen Fotoserie stellt Boltanski anrührend seine Kindheit nach und zeigt eindrucksvoll, wie Geschichte und Geschichten in der Kunst vergegenwärtigt werden können. Jankowski präsentiert in seinem Video „Die Jagd“ einen grotesk-komischen Supermarkt-Besuch mit Pfeil und Bogen, womit ihm beides gelingt: humorvolle Betrachtung der Welt und ihre kritische Reflexion.
Die Ausstellung versammelt Malerei, Skulptur, Foto- und Videoarbeiten, die zu einem abwechslungsreichen Rundgang einladen. Einige ältere Arbeiten aus den Sammlungen der Weserburg sind dem Publikum durch frühere Besuche bekannt, andere stammen aus mit dem Museum verbundenen Privatsammlungen und wieder andere von den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern selbst. Letztere werden in dieser Form und Kombination im Sinne einer Premiere zum ersten Mal gezeigt.
Die ausgewählten einzelnen Beiträge stehen in den labyrinthisch angelegten Räumen der alten Speicherhäuser nicht isoliert neben- oder hintereinander. Sie ergänzen sich, addieren sich gegenseitig auf, beginnen nicht nur als Einzelne, sondern auch in ihrer Gesamtheit und ihrem Zusammenspiel auf uns einzuwirken. Sie lösen dabei andere Bilder und Assoziationen in uns aus und mischen sich mit ihnen. Man könnte auch davon sprechen, dass die Wechselwirkung bestimmter Räume, selbst das einfache „Nacheinandersehen“ in der Regel immer mehr ergibt, als die bloße Summe oder Aneinanderreihung ihrer Einzelelemente.
Künstlerinnen und Künstler
Pidder Auberger, Achim Bitter, Christian Boltanski, Christian Jankowski, Martina Klein, Joseph Kosuth, Clemens Krauss, Alicja Kwade, Thomas Lehnerer, Marie-Jo Lafontaine, Horst Müller, Erich Reusch, Taryn Simon, Koen van den Broek, Ingo Vetter, Günter Weseler