Leuchte!
Designikone im Licht der Kunst
Sie ist ein Klassiker der deutschen Designgeschichte – die Wilhelm Wagenfeld Tischleuchte, weltweit bekannt als Bauhaus-Leuchte. Mit ihrer klaren, aufs Wesentliche reduzierten Formensprache ist sie bis heute ein Inbegriff für gute Gestaltung. Die Ausstellung in der Weserburg zeigt die Designikone in einem ungewohnten Licht. 25 national und international bekannte Künstlerinnen und Künstler wurden seit 1995 eingeladen, die Leuchte künstlerisch zu bearbeiten. So entstand eine überraschende Vielfalt neuer Werke. Sie reichen von wertschätzenden Entgegnungen über ironische Kommentare bis hin zu grotesken Verfremdungen. Das wechselvolle Verhältnis von Design und Kunst, von Funktionalität und Ästhetik wird im doppelten Wortsinn neu beleuchtet.
Richard Hamilton zeigt die Bauhaus-Leuchte in einem modernistischen Aktbild. Im gleißenden Licht scheint sich die Gestalt des Designobjekts regelrecht aufzulösen. Der Künstler spielt auf die heilige Verkündigung an und überführt en passant das religiös-transzendentale Thema in ein alltägliches Arrangement. Die Leuchte wird in grotesker Weise zum Sinnbild des Sakralen. Aldo Mondino behängt gleich zwei Glashauben mit einem Kranz aus BIC-Kugelschreibern und nennt seine humorvolle Verfremdung „Jugend-stilo“. Rolf Julius wiederum verwandelt die Glashaube mit einem Lautsprecher in einen Resonanzkörper, der das Licht um sphärische Klänge erweitert. Andere Künstlerinnen und Künstler konzentrieren sich stärker auf die Funktion als Leuchtkörper. So umhüllt Susanne Windelen die Leuchte mit Fluoreszenzfarbe, die sie dem Alltag entrückt und unnahbar werden lässt. In dieser Form bringt sie kein Licht ins Dunkel, sondern erstrahlt als eigenständige Skulptur.
Ein besonderer Höhepunkt der Ausstellung ist das Werk von Dieter Roth. Als Walter Schnepel dem Schweizer Künstler 1995 ein Exemplar der Bauhaus-Leuchte mitbrachte, hielt sich dieser respektvoll zurück. Er wollte den Designklassiker nicht künstlerisch bearbeiten: „Die kann man nicht besser machen, … aber eine Lampe kann man immer gebrauchen.“ Ein Jahr später war der Sammler überrascht, die Leuchte dann als Bestandteil der berühmten BAR No. 1 (1983-1997) wiederzusehen. Eine schwarze Schirmmütze, wie sie der Künstler selbst gerne trug, ruht seitdem frech auf der Glashaube. Mit hintergründigem Witz hat er die Leuchte zum Hutständer umfunktioniert und obendrein mit roter Farbe wie mit einer Blutspur übergossen.
Die Künstlerinnen und Künstler zeigen sich nicht affirmativ und ehrfurchtsvoll, sondern behaupten selbstbewusst ihre künstlerische Eigenart. Sie reagieren auf die Gleichförmigkeit des Serienprodukts mit Individualisierung, der Vervielfältigung begegnen sie mit Vereinzelung. Sie verleihen dem Vertrauten dadurch eine neue Präsenz und Sichtbarkeit. Dabei geht es ihnen nicht um alternative Lösungen für Form und Funktion. Sie heben das Zeitlose und Statische des Designobjekts auf. Die zum Klassiker erstarrte Leuchte wird damit zu einem Kristallisationspunkt neuer künstlerischer Ideen und Ästhetiken. Der Künstler Ben Vautier bemerkt dazu lakonisch: „No art without light“.
Künstlerinnen und Künstler
Ay-O, Michael Bette, Jochen Fischer, Christian Gürtler, Wolfgang Hainke, Richard Hamilton, Rolf Julius, Alison Knowles, Christina Kubisch, Christiane Möbus, Aldo Mondino, Davide Nido, Oliver Niewiadomski, Ann Noël, Paul Renner, Dieter Roth, Valentin Rothmaler, Takako Saito, Fritz Schwegler, Lisa Simon, Daniel Spoerri, Ben Vautier, Wolfgang Wagner-Kutschker, Emmett Williams, Susanne Windelen.