Mir ist das Leben lieber
Sammlung Reydan Weiss. Ausstellung zum 25-jährigen Bestehen der Weserburg
Die Ausstellung „Mir ist das Leben lieber“ vereinigt über 100 Bilder, Skulpturen und Videoarbeiten, die auf sehr sinnliche und überzeugend provokante Weise Fragen der Identität, der gesellschaftlichen Rollenzuschreibung, aber auch existenzieller Bereiche wie Leben und Tod nachgehen. Präsentiert werden Höhepunkte und noch nie gezeigte Werke aus der Sammlung Reydan Weiss. Die Sammlerin wurde in Istanbul geboren, ist in Jordanien aufgewachsen, in Jerusalem zur Schule gegangen und als junge Frau nach Deutschland gekommen. Die Tatsache, dass sie Zugang zu mehreren Kulturkreisen hat, macht die Ausstellung zu einem Erlebnis, das den Blick weit über den europäischen Tellerrand auf die Welt zu richten vermag. Neben namhaften Künstlerinnen und Künstlern wie Cindy Sherman, Nathalie Djurberg, Bettina Rheims, aber auch Gerhard Richter, Anselm Kiefer und Robert Longo zeigt die Ausstellung viele überraschend neue Werke, darunter afrikanische, ozeanische, chinesische, japanische, lateinamerikanische und karibische Positionen.
Der Umgang mit und das Aushalten von kulturellen und individuellen Unterschieden, von Tradition und Moderne ist ein zentrales Thema der Ausstellung. Beispiele dafür sind die wechselnden fotografischen Identitäten von Cindy Sherman, die höchst befremdlichen Gestalten von Charles Fréger und die nicht nur auf den ersten Blick bedrohlich wirkende, in eine Burka gehüllte Gestalt von Mircea Suciu. Aber auch Fragestellungen wie Leben und Tod, Schönheit und Alter klingen in vielen der gezeigten Werke auf überzeugende Weise an. Mat Collishaws Fotoserie „Last Meal on Death Row“ zeigt komponierte Stilleben, die sich als „Henkersmahlzeiten“ erweisen. Manabu Yamanaka setzt sehr alte, durch das Leben gezeichnete Frauen in Aktfotos ins Bild und Andres Serrano vermag durch sein Totenporträt Einblick in den normalerweise verschlossenen Bereich der Pathologie zu geben. Diese Sammlung enthält manche im Nordwesten noch nie gesehene Überraschung.
Beachtlich ist auch das große Konvolut an hervorragender z. T. ungegenständlicher Malerei. Betrachtet man die Bilder ergibt sich ein beachtlicher Querschnitt dessen, was im 20. und 21. Jahrhundert als Malerei Relevanz und Geltung hat. Neben Werken von Gerhard Richter, Anselm Kiefer, aber auch Jonas Burgert, Norbert Schwontkowski und der Libanesin Etel Adnan findet man Bilder des in Europa noch wenig bekannten australischen Malers Warlimpirrnga Tjapaltjarri. Seine Werke hängen gleichrangig neben denjenigen von Bernard Frize und Peter Halley und sind in der Lage gerade trotz ihrer Kontextgebundenheit und direkten Verbindung zur Aboriginal Kultur Australiens, ihren Platz neben vielen eher europäisch-amerikanisch geprägten Werken zu behaupten. Anders ausgedrückt: Tjapaltjarri erhält keinen „ethnologisch“ eingefärbten Sonderstatus, sondern ist in dieser Sammlung ein internationaler Künstler neben vielen anderen, deren Werke hier zu sehen sind.
Immer wieder geht es um die Frage, wie die Verschiedenheit, ja bisweilen Ausschließlichkeit von Denkweisen und Ansprüchen neben- und untereinander Bestand haben können. Auf die Sphäre der Kunst übertragen bedeutet das: ob und auf welche Weise ein Zusammenhang von Ästhetik und Ethik existiert und im Kunstwerk erfahrbar werden kann. Es geht um Lernprozesse im Rahmen eines internationalen Austauschs, die für ein breiteres und jüngeres Publikum von Belang sind. Es geht auch um die Chance einen anderen, neuen Blick auf eine zum Teil aus den Fugen geratene Welt zu erhalten, festgeschriebene Vorstellungen zu revidieren und seinen eigenen Standpunkt in der Welt, neben und zusammen mit anderen zu erlangen.
Künstlerinnen und Künstler
Etel Adnan, Helene Appel, Emma Bennett, Bertozzi & Casoni, Nicole Bianchet, Jeremy Blake, Katharina Bosse, Ulla von Brandenburg, GL Brierley, Daniele Buetti, Jelena Bulajic, Jonas Burgert, Yoan Capote, Shen Chen, Patrick van Caeckenbergh, Mat Collishaw, Johan Creten, Tony Cragg, Keren Cytter, Nathalie Djurberg, Slawomir Elsner, Elger Esser, Inci Eviner, Paul Fägerskiöld, Famed, Claire Fontaine, Charles Fréger, Bernard Frize, Patrycja German, Rachel Goodyear, Paul Graham, Henriette Grahnert, Sigurdur Gudmundsson, Peter Halley, Dan Halter, Mark Handforth, Flora Hauser, Julie Heffernan, Evelyn Hofer, Linde Ivimey, Du Jie, Bharti Kher, Anselm Kiefer, Joanna Kirk, Ragnar Kjartansson, Imi Knoebel, Shio Kusaka, Alicja Kwade, Thomas Lerooy, Graham Little, Robert Longo, Rosa Loy, Rosilene Luduvico, Alastair Mackie, Kate MccGwire, Alex McQuilkin, Olaf Metzel, Marilyn Minter, Mohau Modisakeng, Jean-Luc Moerman, Yasumasa Morimura, Wangechi Mutu, Shirin Neshat, Julie Nord, Saskia Olde Wolbers, Jacco Olivier, Catherine Opie, Claire Partington, Elodie Pong, Shannon Plumb, Ged Quinn, Till Rabus, Bettina Rheims, Gerhard Richter, Daniela Rossell, Dennis Scholl, Thomas Schütte, Grace Schwindt, Norbert Schwontkowski, Sigga Björg Sigurðardóttir, Andres Serrano, Cindy Sherman, Laurie Simmons, Lorna Simpson, Andreas Slominski, Carolein Smit, Kiki Smith, Martina Steckholzer, Anett Stuth, Mircea Suciu, Warlimpirrnga Tjapaltjarri, Sandra Vàsques de la Horra, Nil Yalter, Manabu Yamanaka, Zhou Yangming, Young-Jae Lee.
25 Jahre Weserburg. 25 Jahre Sammlermuseum
Im 25. Jahr ihres Bestehens macht sich die Weserburg selbst ein Geschenk: Mit der Sammlung Reydan Weiss erweitert das erste Sammlermuseum Europas seine Kooperationspartner um eine hochkarätige Sammlung internationaler Gegenwartskunst. Seit 1991 werden in den alten Speicherhäusern inmitten der Weser bedeutende Kunstwerke aus Privatsammlungen ausgestellt. Malerei, Skulptur, Fotografie und Videokunst von 1960 bis heute sind auf fünf Stockwerken zu sehen. Junge Sammler mit ihren Neuentdeckungen geben Einblick in die aktuelle Kunstentwicklung.
Mit ihren in Bremen konzipierten Sonderausstellungen erhielt die Weserburg auch in der Vergangenheit internationale Aufmerksamkeit. Stellvertretend seien hier genannt ›Die Kunst und das schöne Ding‹ (1995), ›Minimal Maximal‹ (1998–2001), eine Ausstellung die anschließend auch in Spanien, Japan und Korea zu sehen war. Weiterhin ›Die Fondation Maeght‹ (2003), ›Jörg Immendorff‹ (2007) ›Farbe im Fluss‹ (2011) und zuletzt die vielbeachtete Ausstellung ›Land in Sicht‹ (2015). Ausstellugsformate wie ›Junge Sammlungen‹, ›Künstlerräume‹, ›Meisterschüler der HfK‹ ergänzen und verjüngen ständig das anspruchsvolle Programm.
Das ebenfalls in den Gebäuden beheimatete Zentrum für Künstlerpublikationen ist Archiv und Forschungsstätte. Seine Ausstellungen präsentieren einen international einzigartigen Bestand vom Künstlerbuch bis zur Radiokunst.