Fokus: Ukraine

Tobias Zielony, Maskirovka, 2017, Filmstill, Courtesy Galerie KOW & Tobias Zielony, Sammlung Haus N
Miron Zownir, Jalta, 2013, Courtesy Galerie K’ & Miron Zownir

Tobias Zielony und Miron Zownir

Angesichts des Krieges in der Ukraine richtet die Weserburg Museum für moderne Kunst einen neuen Themenraum innerhalb ihrer Präsentation So wie wir sind 3.0 ein. Der Film Maskirovka (2017) von Tobias Zielony und Beispiele aus Miron Zownirs Fotoserie Ukrainian Night (2012-2014) geben unterschiedlich gelagerte Einblicke in ein Land, das sich zum Entstehungszeitpunkt der gezeigten Arbeiten zwischen Aufbruch in die Demokratie auf der einen Seite und gesellschaftlich-sozial-politischen Repressalien auf der anderen befand.

Bis die Autoreifen auf dem Maidan brannten, war die Ukraine ein weißer Fleck auf der Landkarte am Rande Europas. Der Maidan – Symbol und Ort des monatelangen Protests der ukrainischen Bürger*innen – kennzeichnet einen neuen Zeitabschnitt in der Geschichte des Landes. Die heutige Realität eines kriegerischen Angriffs durch einen aggressiven, scheinbar übermächtigen Nachbarn vollzieht eine erneute Zeitenwende.

Veranstaltung:

Ukrainian Night

Gespräch mit Miron Zownir (Künstler, Berlin), Kateryna Mishchenko (Verlegerin/Autorin, Kiew/Berlin) und Dr. Eduard Klein (Forschungsstelle Osteuropa, Bremen) zum 2015 erschienenen Buch Ukrainian Night (Verlag: Spector Books)

Mittwoch, 25.05.2022
19:00 Uhr
5 Euro, Ort: Bibliothek

Mit Voranmeldung (Mo–Fr): info@weserburg.de, 0421-59839-0

Tobias Zielony

Tobias Zielony, Maskirovka, 2017, Filmstill, Courtesy Galerie KOW & Tobias Zielony, Sammlung Haus N

Tobias Zielony (*1973, lebt in Berlin) hat für seinen Animationsfilm Maskirovka (2017) 5.400 Einzelbilder zusammengestellt, die er 2016/2017 in Kiew aufgenommen hat: Bilder aus den Underground-Clubs der Queer- und Techno-Szene in Kiew, von der Straße, vom Maidan und den vielen Nachrichtenberichten über Kiew und das Geschehen an der Front, eingefangen auf Fernsehbildschirmen. Der Film ist während seiner gesamten Dauer in zwei Bildebenen aufgeteilt, zwischen denen fünfmal pro Sekunde gewechselt wird. Das stroboskopisch flimmernde Bild, das die Erinnerung an gerade erst verblasste Bilder mit neuen Bildern verschränkt, webt einen nervösen Quilt aus kurzlebigen Eindrücken. Es entsteht eine zeitgenössische Erzählung über die vielschichtige Realität der Ukraine vor dem Krieg.

Der Titel Maskirovka zitiert eine Tradition russischer Kriegstaktiken der Täuschung. Die so genannten „grünen Männer“, die 2014 die Krim besetzten und den prorussischen Kräften in der Ostukraine halfen, waren in Wirklichkeit russische Spezialeinheiten, die Gesichtsmasken trugen, um ihre Identität zu verbergen und einen hybriden Krieg zu beginnen, der nie offiziell erklärt wurde. Die jüngsten politischen Entwicklungen sowie die russische Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Landes können als traurige Travestie betrachtet werden, in der alles möglich ist, aber nichts real zu sein scheint. Ihre grausame Zuspitzung gipfelt im aktuellen russischen Angriff auf die Ukraine.

Miron Zownir

Miron Zownir, Maidan, 2014, Courtesy Galerie K Strich

Der Fotograf Miron Zownir (*1953, lebt in Berlin) beschäftigt sich seit Mitte der 1990er Jahre mit der prekären Situation in den Ländern Osteuropas, die ehemals Teil der Sowjetunion waren. Von 2012 bis 2014 bereiste Zownir die vom Bürgerkrieg und der russischen Okkupation zerrüttete Ukraine, um den Alltag in der Ukraine von seinen Rändern her kennenzulernen. Er fotografierte Drogenabhängige aus Poltawa, Obdachlose am Hauptbahnhof in Kiew, Straßenkinder in Odessa und Czernowitz sowie Bewohner*innen verschiedener Roma-Lager.

Der Titel Ukrainian Night bezeichnet dabei einen Zustand der Offenheit: Steht der Entstehungszeitraum 2012-2014 für einen Moment, in dem es gesellschaftlich vom Sonnenuntergang in die Nacht geht oder bewegt sich das Land eher von der Dunkelheit ins Helle, in den Sonnenaufgang?