Peter Piller - Richard Prince
Amerikanische Mythen und deutsche Lebenswirklichkeit, unterschiedliche Generationen, verschiedene Welten – mit Richard Prince (*1949) und Peter Piller (*1968) begegnen sich in der Weserburg Museum für moderne Kunst zwei höchst eigenwillige künstlerische Werke, die das Leben und Denken in und mit Bildern beispielhaft vorführen.
Cowboys, Rocker und ihre Girlfriends, Bilder voll machohafter Erotik, chauvinistischer Cartoons und klischeehafter Autos auf der einen Seite. Bauerwartungsflächen, unangenehme Nachbarn, flüchtende Vögel und Bürozeichnungen auf der anderen. Große Schauwerte treffen auf skurrile Alltagsbilder. Die Bildwelten von Piller und Prince könnten formal wie inhaltlich kaum unterschiedlicher sein.
Neben diesen offensichtlichen, radikalen Unterschieden sind es die überraschenden Ähnlichkeiten und vergleichbaren künstlerischen Strategien, die eine Begegnung von Piller und Prince reizvoll machen. So nutzen beide Künstler vorgefundene mediale Bilder, etwa Presse- oder Werbebilder, die sie sich aneignen und in Kunst verwandeln. Prince seit den 1970er Jahren, Piller etwa zwanzig Jahre später. Fragen nach Authentizität und Originalität werden hier ebenso verhandelt wie der Einfluss von Bildern auf unsere Vorstellung von Wirklichkeit. Sehnsüchte, Fantasien, aber auch die Untiefen moderner Gesellschaften werden dabei freigelegt – mit schonungsloser Härte und analytischem Feinsinn gleichermaßen.
Peter Piller schätzt die „Vorzüge der Absichtslosigkeit“. So stellt er in seinen Archiven amateurhafte Pressebilder unspektakulärer Begebenheiten mit regionaler Bedeutung zusammen. Er zeigt Luftbildaufnahmen deutscher Siedlungen oder gestaltet die Umschläge der DDR-Militärzeitschrift Armeerundschau um. Es sind Dokumente einer kleinbürgerlichen Gesellschaft, die, mit Pillers Augen betrachtet, groteske Züge offenbaren. Zuletzt hat er sich schwarzweißen Bilddokumenten von Höhlenzeichnungen zugewandt, den ältesten Spuren menschlicher Zivilisation.
Richard Prince schafft dagegen verführerische Sinnbilder Amerikas. Auch er arbeitet bevorzugt seriell. Seine abfotografierten Marlboro-Cowboys, seine Playmates oder Autos erscheinen gleichwohl als auratische Einzelbilder mit visueller Wucht. Hier wird dem „amerikanischen Traum“ von individueller Freiheit noch gehuldigt, hier prallen Frauenbilder und Männerfantasien aufeinander. Viele seiner Werke wirken auf den ersten Blick verstörend. Sie sind plakativ, direkt und in gewisser Weise schnell zu erfassen. Zugleich zeichnet sie eine intellektuelle Schärfe und doppelbödige Vielschichtigkeit aus, die sich erst nach und nach erschließt.
Die Ausstellung in der Weserburg wird in einem gesonderten Saal durch Peter Pillers erste Soundinstallation erweitert. Sie kann als ein ebenso nachdenklicher wie humorvoller Rekurs auf unsere überreizte und nicht zu Atem kommenden Medienwelt gedeutet werden. Zu hören ist ein Zusammenschnitt von Kantanten Johann Sebastian Bachs, in dem von Zeit zu Zeit allein das gesungene Wort „Geduld“ erklingt und dabei lange nachhallt.
Kuratiert von Ingo Clauß
Ausstellung auf Ebene 3
Radiobeitrag zur Ausstellung
https://www.bremenzwei.de/themen/weserburg-peter-piller-richard-price-100.html
Beteiligte Sammlungen
Deichtorhallen Hamburg / Sammlung Falckenberg, Sammlung Fotomuseum Winterthur, Sammlung Goetz, Sammlung Haubrok, Sammlung Hegewisch-Becker, Sammlung Wolfgang Schoppmann, Sammlung Gaby und Wilhelm Schürmann, Sammlung Christian Kaspar Schwarm und weitere Privatsammlungen.
Parallel Ausstellung im Zentrum für Künstlerpublikationen
Archiv der Bücher – Peter Piller
23. Juli bis 14. November 2021
Das künstlerische Schaffen von Peter Piller ist insbesondere durch sein Foto-Archiv gekennzeichnet, dessen Bilder – Zeitungsfotos und Luftbildaufnahmen – er in Serien nach Gestaltungselementen und inhaltlichen Übereinstimmungen zusammenstellt und auch als Künstlerbücher veröffentlicht. Die Arbeit des Archivierens und Zusammenstellens von Fotografien durch Peter Piller wird in der Ausstellung übertragen auf das Archivieren und Zusammenstellen der Künstlerpublikationen von Peter Piller im Sinne eines Meta-Archivs.
Die Ausstellung Archiv der Bücher – Peter Piller wird von Anne Thurmann-Jajes kuratiert.
Angebote für Schulen
Für Schulklassen wurden spezielle Führungen entwickelt, auf Anfrage mit Themenschwerpunkten:
40 Euro, 60 Minuten
60 Euro, 90 Minuten mit Praxisanteil, zzgl. Materialpauschale: 0,50 Euro/Person
1. Medienkompetenz: Wie wirken Bilder?
Sammeln, Sortieren, Aneignen – Vom Umgang vorgefundener medialer Bilder in der Gegenwartskunst
Überblicksführung für Sek I und Sek II, Kunstgespräch: 60 Minuten
2. Aneignung: Verwandlung von Werbe- und Pressebildern in Kunst
Künstlerische Methoden der Addition
Führung mit Praxisanteil für Sek I und Sek II: 90 Minuten
Auf der Suche nach einem „Möglichkeitssinn“ werden in Kleingruppen Bildserien angefangen, die sich aufgrund von Gemeinsamkeiten zwischen den Bildern ergeben. Gearbeitet wird mit mitgebrachtem Bildmaterial und einem Bildfundus der Kunstvermittlung. Für die seriellen Reihungen werden Titel gesucht. In der anschließenden Reflexionsrunde geht es um Fragen der Inszenierung, um wiederkehrende Muster und deren Wirkung. Welchen Einfluss haben Bilder auf unsere Vorstellung von Wirklichkeit?
3. Collage: Authentizität und Originalität
Künstlerische Methoden des Fragmentierens und Neu-Zusammenstellens
Führung mit Praxisanteil für Sek I und Sek II: 90 Minuten
Wie sehr denken wir in/mit Bildern? Reproduktionen aus Werbung und Kunstbüchern sind das Ausgangsmaterial, um mit Transparentpapier und Tapes eigene Interpretationen zu liefern. Gearbeitet wird mit mitgebrachtem Bildmaterial und einem Bildfundus der Kunstvermittlung. In der anschließenden Reflexionsrunde geht es um Fragen des Kopierens und Aneignens, dem Verhältnis zwischen Fremden und Eigenem.
Der Eintritt für Schulklassen ist frei.
Die Führungen können kostenpflichtig hinzugebucht werden.
Eine Anmeldung ist erforderlich.
Informationen und Anmeldung unter +49 (0)421-59839-0, info@weserburg.de
Informationsveranstaltungen für Lehrer*innen
Die Informationsveranstaltung gibt einen ebenso anschaulichen wie kompakten Einblick in das Konzept der Ausstellung „Peter Piller – Richard Prince“. Kurator Ingo Clauß wird ausgewählte Werke, Themen und Hintergründe vorstellen. Meike Su präsentiert anschließend die neu entwickelten Angebote der Vermittlung.
Mittwoch, 30. Juni, 17 Uhr. Dauer: 50 Minuten
Informationen und Anmeldung unter +49 (0)421-59839-0, info@weserburg.de
Schutz- und Hygienevorschriften
Alle Schüler*innen, Betreuungskräfte und Kunstvermittler*innen tragen im Museum einen Mund-Nasen-Schutz (medizinische Maske). Evtl. Ausnahmeregeln für Kinder unter 6 Jahren sind vorab zu erfragen.
Nach aktuellem Stand (1. Juni 2021) können Führungen für Schulen als Kohorte in voller Klassenstärke durchgeführt werden. Es finden keine Veranstaltungen mehrerer Kohorten gleichzeitig statt.
Es gilt die Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronaverordnung), Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen in ihrer jeweils gültigen Fassung.
Informationen unter +49 (0)421-59839-0, info@weserburg.de
Verhaltensregeln für Schulklassen
Edition
Führung buchen
80,– Euro zzgl. Eintritt, aktuell nur Gruppen bis 25 Personen
Informationen und Anmeldung unter +49 (0)421-59839-0, info@weserburg.de
Aktuelle Informationen zum Museumsbesuch während der Corona Pandemie finden Sie hier.
Podcast
Der Kunstbetrieb aus nächster Nähe. In der Reihe Talking Heads laden wir interessante Menschen zum Gespräch. Aus Anlass der beiden Ausstellungen Peter Piller – Richard Prince und Peter Piller – Archiv der Bücher haben die Kurator*innen Anne Thurmann-Jajes und Ingo Clauß mit dem Künstler Peter Piller gesprochen.
Überall dort, wo es Podcasts gibt – u.a. auf Spotify und Podigee:
Gefördert durch die VGH-Stiftung