Götz Diergarten

Photographs

21.08.2010 - 31.10.2010

Götz Diergarten (*1972 in Mannheim) lenkt und sensibilisiert mit seinen Fotografien unseren Blick auf das Gewohnte unserer Umgebung. In seinen typologischen Serien untersucht er das Erscheinungsbild alltäglicher Architekturen: deutsche Fassaden, belgische Strandkabinen, britische Badearchitektur und europäische Untergrundbahnen. Die vordergründige Banalität von Putz- und Klinkerimitat, Fenstern, Garagentoren und einfachen Baukörpern verwandelt sich bei ihm in ihrer fotografischen Reihung zu einer Typologie der Alltagskultur. Seine Werke sind geprägt vom klaren, dokumentarischen Stil seines Lehrers Bernd Becher. Häuserfassaden, Strandhütten sowie U-Bahntunnel werden nach strengen bildnerischen Vorgaben aufgenommen: frontale Ansicht, diffuses Licht und enger Ausschnitt – lediglich der Typus variiert.

Was Diergartens Originalität ausmacht, ist vor allem die konzeptuelle Verbindung von Typologie und Farbe. Seine selbstverständliche Praxis der Farbfotografie geht auch auf die US-amerikanische Tradition seit den 1970er-Jahren zurück, beispielsweise auf die beiläufigen Alltagserkundungen William Egglestons und Stephen Shores. Wer sich auf Diergartens Werke einlässt, sieht in ihnen keine banalen Fassaden oder Häuser mehr, sondern abstrakte Kompositionen, die in einer fein abgestuften Farbigkeit eine nahezu malerische Qualität gewinnen. Seine Fotografien setzen auf einen bewusst langsamen Wahrnehmungsvorgang und stehen damit ganz im Gegensatz zur grellbunten Bilderflut, die uns mit immer größerer Geschwindigkeit trifft.

Diergartens Fotobilder besitzen einerseits einen streng dokumentarischen Cha­rakter, andererseits bestechen sie durch ihre malerische Qualität, die durch das Zusammenspiel von Abstraktion und Farbigkeit mit großer suggestiver Kraft zur Geltung kommt. In seiner frühen Serie Fassaden (1995-2001) fotografierte Diergarten Häuserfassaden zunächst vor allem in seiner Heimat, der Pfalz. Dabei dienten ihm die in den 1960er- und 1970er-Jahren errichteten Einfamilienhäu­ser der Provinz als Bildvorlagen. Die dreidimensionalen Gebäude werden fast ausschließlich frontal und flächenfüllend ins Bild ge­setzt, sodass ein abstraktes Ordnungsgefüge aus Farbflächen und Linien entsteht.

Mit seiner aktuellen Serie METROpolis (seit 2006) erschließt sich Diergarten neues fotografisches Terrain. Konzentrierte er sich bisher ausschließlich auf Einzelobjekte im Außenraum, so nimmt er nun spezifische Interieurs des öffentlichen Raums  – die Gänge, Tunnel und Bahnsteige des unterirdischen Nahverkehrs – in den Blick. Seine Studie über das Gesicht des Untergrunds und mit ihm über den Mythos der modernen Großstadt hat er sehr umfassend angelegt. Indem Götz Diergarten den öffentlichen Funktionsraum auf seine elementaren Bestandteile farbiger Flächen und Räume reduziert, schafft er Raum für die Kontemplation des bislang Unbeachteten und die Schönheit des Alltäglichen. Ausgehend von der Erneuerung der Dokumentarfotografie durch Bernd und Hilla Becher haben drei Generationen ihrer Schüler, darunter Andreas Gursky und Thomas Ruff, den fotografischen Blick auf die Welt mit formaler Strenge und handwerklicher Präzision erweitert. Götz Diergarten ist einer von ihnen. Sein Blick auf unsere Umwelt ist dabei poetisch und konkret zugleich.